Rechtsform, Satzung, Vertragsgestaltungen

Von Eva Stützel

 

Dieser Text bündelt unsere Erfahrungen mit Gemeinschaftsprojekten und soll Projekten als erster Denkanstoß dienen und ersetzt auf keinen Fall die fachkundige Beratung durch Steuerberater und Rechtsanwalt!

 

Zu der wesentlichsten Entscheidungen, die man bei der Gründung eines Gemeinschaftsprojekts zu treffen hat, gehören die Wahl der Rechtsform, die Satzungsgestaltung und die Vertragsgestaltung unter den beteiligten Parteien.

Viele betrachten diese Fragen als notwendiges Übel, mit dem sie sich so wenig wie möglich beschäftigen will. Man gründet die Rechtsform, die man bei Anderen schon mal gesehen hat, kopiert die Satzung, fügt ein paar eigene Paragraphen ein und fertig. Oder, noch miß-erfolgversprechender: Die Person mit dem meisten Geld kauft „erst mal“ das Objekt, aber „eigentlich“ sieht man das Ganze als gemeinschaftliches Eigentum an und fängt an, gemeinschaftlich auszubauen... und erst wenn die ersten Probleme kommen, wird deutlich, dass der / die BesitzerIn die größte Verantwortung, das größte Risiko und auch die meisten Rechte hat. Dann ist es oft zu spät, zu einer gemeinschaftlichen Lösung zu kommen.

Damit Projekte dauerhaft Bestand haben und die gemeinschaftlichen Ziele dauerhaft gesichert sind, ist es sehr wichtig, sich vor dem Kauf des Hauses / Grundstücks oder vor der gemeinsamen Nutzung Gedanken zu der Frage der Gestaltung des Verhältnisses der Beteiligten zueinander und zu dem Haus / Grundstück zu machen.

 

Dieser Text und die folgende Tabelle kann eine fachkundige Beratung auf gar keinen Fall ersetzen, will jedoch erste Hinweise geben, wie dieser Prozess gestaltet werden kann und welche Aspekte abgewogen werden müssen.

Bevor eine Gruppe über eine formale Satzung nachdenkt, sollte sie überlegen, was Sie gemeinsam wollen.

Das sind die Fragen, die dann den Inhalt der Satzung / des Gesellschaftsvertrages und der Verträge untereinander bestimmen. Es ist sinnvoll, sich diese Fragen zu stellen, bevor man einen Satzungsentwurf vorliegen hat.

 

Die Antworten auf diese Fragen bestimmen dann die Wahl der Rechtsform bzw. der Vertragsgestaltung zwischen den einzelnen Parteien. Manche Rechtsformen sind sehr stark an einzelne Personen gebunden, etwa die GbR oder die Wohneigentümergemeinschaft. Im Todesfall geht das Eigentumsrecht dann i.d.R. auf die Erben über, die eventuell nichts mit dem Gemeinschaftsprojekt zu tun haben und ganz andere Zielsetzungen haben. Auf der anderen Seite des Spektrums steht die Stiftung, die von Personen unabhängig ist, und ihr Kapital dauerhaft einer bestimmten Idee widmet.

 

Das Verhältnis der Gruppe untereinander und die Frage, wie das Land / die Gebäude besessen werden, können auf zwei Ebenen geregelt werden: Es gibt zum einen die Ebene der Rechtsform für das Gemeinschaftsprojekt, also die Frage, was ist die Organisation, der das Land gehört, und die die „offizielle Hülle“ für die Gemeinschaft ist. In der Regel sollte die Organisation, der das Land gehört, auch die „offizielle Rechtsform“ für den Gemeinschaftsorganismus sein. Es macht dann für viele Projekte Sinn, das Verhältnis von Einzelnen oder Untergruppen zu der Gemeinschaft durch die Art des Vertrages zwischen Gemeinschaft und Einzelnen oder Untergruppen zu regeln. In den unterschiedlichen Vertragsformen können die Qualitäten gesichert werden, die für die Gemeinschaftsentwicklung wichtig sind.

 

Zur ersten Orientierung über mögliche Rechts- und Vertragsformen für gemeinschaftliche Wohnprojekte habe ich die gebräuchlichsten Rechtsformen und Nutzungsvertragsformen für Gemeinschaftsprojekte in einer Tabelle zusammengefasst.

Wenn man derart komplexe Konstrukte in einer kurzen Tabelle zusammenfasst, gehen viele Details und Gestaltungsmöglichkeiten verloren. So müsste man vor viele Angaben in der Tabelle ein „in der Regel...“ setzen, da oft auch abweichende Regelungen möglich sind. Daher kann diese Tabelle nur als erste Orientierung dienen. Vor einer endgültigen Entscheidung für eine Rechtsform ist es daher wichtig, sich mit erfahrenen Experten zusammenzusetzen und den gewählten Vertrag auch noch mal von einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt oder Notar durchsehen zu lassen.

Alle Angaben in der Tabelle sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für die Richtigkeit der Angaben übernehmen wir dennoch keine Haftung.

 

 

Genossenschaft

Verein

GbR

Wohneigentümer-

Gemeinschaft

Stiftung
Abstimmungsrechte

Pro Mitglied (Kopplung an Höhe des Geschäftsguthabens möglich)

Pro Mitglied

Pro Gesellschafter (Kopplung an Höhe des Gesellschaftsbeitrages möglich)

Nach Wohneigentümeranteilen

Vorstand und Kuratorium entscheiden. Stifter können, müssen aber nicht Mitglied dieser Gremien sein.
Zweck

Wirtschaftliche Förderung der Interessen der Mitglieder

Bei gemeinnützigem eV: ausschließlich ideelle Interessen.

Jeder gesetzlich zulässige (Zusammenschluss zu einem gemeinsamen Zweck)

Bildung von separatem Wohneigentum und gemeinsame Verwaltung des Gemeinschaftseigentums

Langfristige Sicherung der Nutzung des Vermögens für ideelle Zwecke.
Höchstes beschlussfassendes Organ

Generalversammlung

Mitgliederversammlung

Gesellschafterversammlung

Wohneigentümer-Versammlung

Kuratorium (Stiftungsversammlung), muss sich aber an Stifterwillen halten.
Organ für Geschäftsführung und Alltagsentscheidungen

Vorstand

Vorstand

Gesellschafterversammlung

Übertragung auf Geschäftsführung möglich

Wohneigentümer-Versammlung Übertragung auf Geschäftsführung möglich

Vorstand
Haftung der Beteiligten

Nur mit Geschäftsanteil

Nachschusspflicht kann vereinbart werden

Zusätzliche Haftung bei „Fehlverhalten“ des Vorstandes.

Keine persönliche Haftung Zusätzliche Haftung bei „Fehlverhalten“ des Vorstandes.

Volle persönliche Haftung

In erster Linie auf eigene Wohnung beschränkt, für Gemeinschaftseinrichtungen haften alle gemeinsam

Gestiftetes Kapital verbleibt in Stiftung, darüber hinaus haftet der Vorstand im Falle von Fehlverhalten.
Mitgliedschaft vererbbar

Nein. Genossenschaftsanteile werden nach Tod ausbezahlt.

Grundsätzlich: Ja

Nein.

Ja.

Ja.

Nein.
Veränderungen in der personellen Zusammensetzung (Verwaltungs-Aufwand)  

Mit wenig Aufwand möglich.

Mit sehr wenig Aufwand möglich.

Hoher Aufwand, da Grundbücher geändert werden müssen (notariell).

Aufwand im Wesentlichen für Austretenden hoch (Notarieller Vertrag nötig), für Gemeinschaft niedrig.

Stiftung ist Grund- oder Hauseigentümerin, Mieter-Veränderungen problemlos möglich.
 

Genossenschaft

Verein

GbR

Wohneigentümer-

Gemeinschaft

Stiftung
Mitsprache des Projektes bei personellen Veränderungen?

Zustimmungspflicht der Mitgliederversammlung zu Neu-Aufnahmen und Neu-Vermietung kann satzungsgemäß festgelegt werden.

Zustimmungspflicht der Mitgliederversammlung zu Neu-Aufnahmen und Neu-Vermietung kann satzungsgemäß festgelegt werden.

Sehr hoch. Durch starke gemeinsame Bindung an das Projekt kann es sehr schwer werden, wenn es starke persönliche Probleme gibt, sich friedlich zu trennen.

Nur begrenzt möglich, da Wohneigentum starkes Recht ist und Eigentümer verkaufen kann. Kann durch Variante „Wohneigentum auf Erbpachtbasis“ eingeschränkt werden.

Abhängig von Vertragsgestaltung und Satzung der Stiftung.
Geeignet für

Mittlere und große Projekte

Große Projekte mit starker gemeinnütziger Ausrichtung

Kleine Projekte, bei denen keine Fluktuation erwartet wird.

Projekte, die starkes Verfügungsrecht für eigene Wohnung bei gleichzeitiger gemeinschaftlicher Verfügung über Gemeinschaftsflächen wollen.

Projekte mit starker gemeinnütziger Zielsetzung, bei denen es auch die Bereitschaft gibt, Kapital für dieses Ziel dauerhaft zu stiften.
Gründungsaufwand

Mittel (Stellungnahme des Genossenschaftsverbandes erforderlich)

gering

gering

Mittel

Hoch.
Fördermöglichkeiten

 

Durch Gemeinnützigkeit oft bessere Bedingungen für Fördermittel und Möglichkeiten, Spenden einzuwerben.

 

.

Gute Möglichkeit, Kapital von außen einzuwerben. Leichteres Einwerben von Fördermitteln.
Steuerliche Konsequenzen

„Reine Vermietungsgenossenschaft“ kann körperschaftsteuerbefreit und gewerbesteuerbefreit werden.

Gemeinnütziger Verein ist körperschaftssteuerbefreit. Kontrollen des Finanzamtes für Gemeinnützigkeit. Möglichkeit, Spenden abzusetzen.

Einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung für GbR

Keine Feststellungserklärung für Gemeinschaft. (Bei Vermietung einzelne Steuererklärungen der Mitglieder)

Strenge Kontrolle des Finanzamtes, ob Geld nur für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wird. Körperschaftssteuer-befreit, Möglichkeit, Zustiftungen steuerlich abzusetzen.
 

Genossenschaft

Verein

GbR

Wohneigentümer-

Gemeinschaft

Stiftung
Verwaltungsaufwand

Durch Genossenschaftsprüfungspflicht noch höher (auch höhere Kosten) als bei anderen Rechtsformen. Professionelle Buchführung notwendig

Professionelle Buchführung notwendig.

Kann gering sein (je nach Umfang und Größe des eV)

Kann gering sein, wenn Gemeinschaftseigentum nicht viel Verwaltungsaufwand mit sich bringt.

Professionelle Buchführung notwendig, Stiftungsaufsicht kontrolliert.
Möglichkeit, ideelle Ziele festzulegen und dauerhaft einzufordern.

Groß, solange Mitgliederversammlung nicht mit satzungsgemäßer Mehrheit anderes beschließt.

Groß, auch durch Streben nach Gemeinnützigkeit.

Im Streitfall schwierig durchzusetzen.

Für Gemeinschaftseigentum ja, Entscheidungsrechte der Einzelnen über privates Wohneigentum geht jedoch oft vor ideeller Festlegung

Sehr hoch, da auch Stiftungsaufsicht und Finanzamt diese Ziele kontrolliert.

 

Wenn die NutzerInnen nicht gleichzeitig EigentümerInnen des Geländes bzw. Gebäudes sind, das sie nutzen, muss ein Vertrag zwischen NutzerIn und besitzender Organisation geschlossen werden. In diesen Verträgen können viele Qualitäten festgelegt werden, die der Gruppe für das Projekt wichtig sind.

 

Folgende Vertragsformen bieten sich dafür an:

 

 

Mietvertrag

Rohbaumietvertrag

Pachtvertrag

Dauerwohnrecht

Nießbrauchsvertrag

Erbpachtvertrag

Gilt für:

Wohnungen und Häuser mit Garten

Wohnungen und Häuser mit Garten

Häuser, Räume, Wohnungen und Grundstücke, aus denen ein wirtschaftlicher Nutzen gezogen wird.

Wohnungen und Häuser mit Garten

Grundstücke, Wohnungen und Häuser. Die Nießbrauchsnehmer sind berechtigt, sämtlichen Nutzen aus dem Objekt zu ziehen. Das kann auch Wohnen sein.

Wohnungen und Häuser mit Garten

Verantwortung für Instandhaltung

In der Regel...

Bei Vermieter.

Bei Mieter.

Je nach Vertrag.

Bei Bewohner.

Bei Nießbrauchnehmer.

Bei Erbpächter.

 

Mietvertrag

Rohbaumietvertrag

Pachtvertrag

Dauerwohnrecht

Nießbrauchsvertrag

Erbpachtvertrag

Überlassung an Andere durch:

a) Vermietung

b) Verkauf

c) Vererbung

durch den einzelnen Nutzer?

a) kann ausgeschlossen werden.

b) + c) ausgeschlossen

a) kann ausgeschlossen werden.

b) + c) ausgeschlossen

a) kann ausgeschlossen werden.

b) + c) ausgeschlossen

a-b) kann durch Vertragsgestaltung eingeschränkt werden. Wohnrecht = höchstpersönliches Recht > keine Vererbung

a-b) kann durch Vertragsgestaltung eingeschränkt werden.

Nießbrauch = höchstpersönliches Recht > keine Vererbung

a-b) kann durch Vertragsgestaltung ein geschränkt werden.

c) kann nicht eingeschränkt werden.

Gewinne auf Kosten Einzelner möglich?

Spekulationsgewinn des Vermieters möglich.

 

Spekulationsgewinn des Vermieters möglich. Bei frühzeitigem Mieterwechsel können Ungerechtigkeiten entstehen, wenn Mieter Investitionen nicht abgewohnt haben.

Spekulationsgewinn des Vermieters möglich.

 

 

 

 

Verkauf zu überhöhten Preisen kann ausgeschlossen werden.

Verkauf des Nießbrauchsrechtes zu überhöhten Preisen kann ausgeschlossen werden.

Verkauf des Erbbaurechtes zu überhöhten Preisen kann ausgeschlossen werden.

Notarieller Vertrag?

Nein.

Nein.

Nein.

Ja.

Ja.

Ja.

 

-> herunterladen